Gryps besucht innovative KMU – Teil 3: «Zum richtigen Zeitpunkt den falschen Gedanken – das ist Innovation»

Kaum ein KMU in der Schweiz ist so innovativ unterwegs wie die Marketingfirma Converto. CEO Kim Engels erklärt bei einer Tasse Kaffee, wie es gelingt, nicht nur über Innovation zu reden, sondern sie zu leben.

Wie ich im Kaffeehaus an der Europaallee in Zürich ankomme, sitzt Kim Engels schon da, im T-Shirt und fokussiert, in den Laptop vertieft. Weil ich es nicht zustande bringe, kontaktlos Kaffee zu bestellen, hilft er mir netterweise, ehe wir sogleich loslegen. Und worüber spricht man bei einer Tasse Kaffee an einem heissen Sommertag als Erstes? Über Kaffee, natürlich.

«Stellen Sie sich vor», so Engels, «Sie stellen Kaffeemaschinen her. Wie machen Sie auf Ihr Produkt aufmerksam? Wie schaffen Sie es, dass Ihr Produkt bekannt und gekauft wird?» – «Mit Marketing, natürlich», entgegne ich. – «Genau. Und wie wollen Sie Marketing betreiben? Wollen Sie möglichst viele Menschen erreichen oder wollen Sie nur jene Menschen erreichen, die gerade im aktuellen Moment an Ihrer Kaffeemaschine interessiert sind?»

Daten, Daten, Daten

Auch diese Frage ist rhetorisch gemeint, denn selbstverständlich sei die zweite Variante besser, so Engels: «Das Ziel von Marketingkampagnen sollte sein, genau jene Leute zu erreichen, die in diesem Moment an deinem Produkt interessiert sind. Das ist effizienter, zielführender und günstiger.» Je besser die Kampagne auf ein bestimmtes Zielpublikum ausgerichtet sei, desto eher erreiche man potenzielle Käuferinnen und Käufer. «Es ist besser, 200 wirklich Interessierte zu erreichen als 20’000 Vielleicht-Interessierte.»

Innovator Kim Engels sagt: «Entscheidend ist, das passende Team zu haben.» (Bild: zvg)


So weit, so klar. Aber wie schafft es eine Kampagne, genau diejenigen 200 Personen zu erreichen, die wirklich interessiert sind? «Mit Daten», sagt Engels, «mit ganz vielen Daten.» Er ergänzt: «Wir versuchen, auch mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz, so viel wie möglich über die Zielgruppe herauszufinden.» Was für Webseiten hat jemand besucht und zu welcher Uhrzeit? Hatten diese Seiten eine positive oder eine negative Assoziation zum Thema Kaffee? Befindet sich der potenzielle Kunde in der Nähe des Ladens? Hat die Person bereits eine andere Kaffeemaschine gekauft oder ist sie noch interessiert?

Das sind alles Daten, die recherchiert werden können, erklärt Engels. Seit knapp einem Jahr ist er CEO von Converto. Die Firma ist schweizweit bekannt dafür, neue Wege zu gehen und Marketing neu zu definieren.

Woran hat vor uns noch keiner gedacht?

Wie hat es das Unternehmen geschafft, Innovation zum Geschäftsmodell zu machen? «In der Tat versuchen wir regelmässig, neue Produkte auf den Markt zu bringen», sagt Engels. Zwar sei der Begriff Innovation überstrapaziert, aber dennoch versuche man, ebendiese Innovation aktiv zu leben: «Wir überlegen uns immer: Was gibt es noch nicht, das es geben sollte?» Meistens seien Neuerungen recht naheliegend und man müsse nur zwei Dinge miteinander verbinden. Vor allem Technologie erlaube, vieles neu zu denken.

«Man kann Innovation nicht erzwingen. Manchmal haben wir drei grossartige Ideen innerhalb von zwei Wochen und dann kommt monatelang nichts. Aber das ist in Ordnung.»

Kim Engels, CEO von Converto

«Für mich bedeutet Innovation, an etwas zu denken, was vorher noch keiner gemacht hat», so Engels. «Das muss keine Raketenwissenschaft sein, es ist viel simpler: Zum richtigen Zeitpunkt den falschen Gedanken – das ist Innovation.»

Damit Innovation gelingt, braucht es seiner Meinung nach drei Voraussetzungen:

  1. Ein gut ausgewähltes Team mit der richtigen Einstellung: «Nehmen Sie sich Zeit für die Zusammenstellung Ihres Teams. Man braucht Menschen, die neugierig sind, das richtige Mindset mitbringen und den Willen haben, Dinge zu hinterfragen und zu verändern. Zudem muss das Team funktionieren, das heisst, die menschliche Komponente ist noch wichtiger als die Fachkompetenz.

    Ein Beispiel: Wir arbeiten sehr häufig remote, von zu Hause oder von irgendwoher. Das funktioniert sehr gut, weil wir uns aufeinander verlassen können.»

  2. Viele Gespräche mit (möglichen) Kunden führen: «Ich bin fast täglich unterwegs und rede mit aktuellen oder möglicherweise zukünftigen Geschäftspartnerinnen und Geschäftspartnern. Mit ihnen rede ich nicht nur darüber, was wir gemeinsam machen oder umsetzen wollen, sondern ich will wissen: Was passiert bei euch? Was beschäftigt euch? Aus diesen Gesprächen entstehen immer wieder Ideen.»

  3. Bedürfnisse kennen und Produkte entwickeln: «Natürlich kann Innovation dann entstehen, wenn man sich etwas total Tolles ausdenkt. Aber erstens ist eine solche initiale Superidee sehr selten, und zweitens muss nach einer Superidee auch ein Bedürfnis dafür geschaffen werden. Das ist anspruchsvoll. Wir machen es andersrum: Wir holen die Bedürfnisse ab und versuchen anschliessend, etwas zu entwickeln.»

«Doch», sagt Engels, «man kann Innovation nicht erzwingen. Manchmal haben wir drei grossartige Ideen innerhalb von zwei Wochen und dann kommt monatelang nichts. Aber das ist in Ordnung.»

Das Beispiel Metaverse: zuerst beobachten, dann entwickeln

Engels nennt ein Beispiel, um den Innovationsprozess von Converto zu veranschaulichen: «Letztes Jahr haben alle, wirklich alle, etwas mit Metaverse gemacht. Bei einem solchen Hype-Thema sind wir besser dran, wenn wir vorerst nicht mitmachen und schauen, was passiert.» Man habe sich Zeit gelassen, mit Partnern geredet und den Markt verfolgt, solange, bis tatsächlich eine vielversprechende Idee entstanden sei.

«Am Ende brachten wir mit Converto Augmented eine Lösung auf den Markt, die zwar mit Elementen von virtueller Realität spielt, aber sehr niederschwellig daherkommt», erzählt er. «Für unsere Anwendung brauchst du keine VR-Brille und damit auch keine besonderen Kenntnisse. Ein Computer oder ein Smartphone reicht bereits.» Das sei entscheidend, denn: «Kaum ein KMU kann 500’000 Franken in eine Metaverse-Plattform stecken – aber viele KMU können ein bisschen etwas investieren.»

Neue Serie: Gryps besucht innovative Schweizer KMU

Das ist der dritte Teil der neuen Artikelserie von Gryps. Wir besuchen verschiedene KMU, um ihr Erfolgsmodell zu verstehen. Wie hat sich das Unternehmen neu erfunden? Was ist der Business Case? Was sind Chancen und Risiken?

▶ Das war Teil 1: Die Serviceroboter von Arabesque
▶ Das war Teil 2: Das VR-Heimkino von IntelliHOME

💡 Nächste Woche porträtieren wir die innovative Gastrokette Kaisin.

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Die Idee hinter Converto Augmented ist es, 3D-Modelle in der Werbung zu nutzen. So könne man besser nachvollziehen, welchen Effekt die Werbemassnahmen konkret hätten. Engels sagt dazu: «Mit unserem Produkt können Unternehmen ihre physische Umgebung mit interaktiven Elementen erweitern und so auf eine ganz neue Weise mit den Inhalten interagieren. Zoomen, Farbe ändern, Drehen oder gar anprobieren, das sind nur ein paar der Möglichkeiten.»

Das Ziel sei gewesen, die Technologie einfach zugänglich zu machen: «Die Kundinnen und Kunden müssen das Produkt verstehen und ausprobieren können.» Niemand setze eine VR-Brille auf, nur um Werbung zu sehen – das müsse anders präsentiert werden.

Das passende Team ist entscheidend

Was rät der Innovator Engels anderen KMU? «Entscheidend ist wirklich, das passende Team zu haben. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauchen das passende Mindset und die nötigen Skills. Es ist immer ein gemeinsamer Effort, der das Unternehmen weiterbringt.»

Er ist überzeugt, dass dies nicht nur im Marketing entscheidend ist: «Denke ich zum Beispiel an ein Malergeschäft – und ich habe beileibe keine Ahnung von diesem Business –, dann bin ich überzeugt, dass auch dort das Team entscheidend ist.» Man könne sich durch zwei Dinge von der Konkurrenz abheben: durch ausserordentlich gute Qualität und durch ausserordentlich gute Mitarbeitende. «Hast du ein ausserordentlich gutes Team, ist vieles möglich.»

Über Converto

  • Gegründet: 2014
  • Gründer: Matteo Schuerch
  • Geschäftsführer: Kim Engels
  • Mitarbeitende: 9
  • Website: converto.com

Das KMU mit Sitz in Feusisberg SZ gilt als European Leader in Marketing-Innovation. Das Unternehmen wurde 2014 als Performance-Marketing-Agentur vor allem für das E-Commerce-Segment gegründet. Mit dem Wachstum von globalen Playern wie Google und Meta und zunehmender Konkurrenz hat sich Converto über die Jahre dafür entschieden, den Fokus stark auf eigene Innovationen zu legen.

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