Gryps besucht innovative KMU – Teil 8: Wieso ein Startup gründen, wenn man stattdessen eine Firma übernehmen und komplett erneuern kann?

Zum Beispiel Okolo: Der junge Unternehmer Milan Blagojevic erzählt im Gespräch mit Gryps, wie er eine 30-jährige IT-Firma innerhalb eines Jahres in ein innovatives Tech-Startup umgewandelt hat.

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Okolo unterstützt Schweizer KMU bei der Digitalisierung und Automatisierung der betriebswirtschaftlichen Prozesse. (Bild: LinkedIn)

Mehr als 30 Jahre lang machte die SMC Computer AG solide Büez. Dann kamen die beiden Inhaber langsam ins Pensionsalter und befassten sich mit der Nachfolgeregelung. Über den Tipp eines Kollegen wurde Milan Blagojevic auf die Firma aufmerksam.

Er rief einen der Inhaber an, und innerhalb von drei Wochen war die Nachfolge beschlossene Sache. Die Mehrheit der Anteile konnte Milan Blagojevic selbst übernehmen, den Rest steuerte der wichtigste Partner des Unternehmens bei. So war Blagojevic, der zuvor als Head of Sales und Marketing bei einem IT-Unternehmen tätig war, plötzlich Eigentümer einer Firma. Im Alter von damals 30 Jahren.

«Das Tempo war und ist hoch. Hier ist jetzt eine völlig andere Welt als noch vor 18 Monaten.»

Milan Blagojevic, Geschäftsführer von Okolo


«Seither haben wir die Zahl der Mitarbeitenden von 5 auf 14 erhöht, den Namen der Firma in Okolo geändert, sind in eine andere Stadt und in neue Büros gezogen, haben den Support ausgebaut und unzählige weitere Veränderungen angestossen», erzählt Blagojevic sichtlich stolz. «Das Tempo war und ist hoch. Hier ist jetzt eine völlig andere Welt als noch vor 18 Monaten. Trotzdem haben die Mitarbeitenden die Veränderungen mitgetragen und sich zusammen mit mir und der Firma weiterentwickelt. Wir gehen den Weg gemeinsam, das freut mich ungemein.»

Nachfolgeplanung ist bei KMU immer ein Thema

Dass ein junger Mann eine Firma kauft, statt selbst ein Startup zu gründen, ist selten. «Dabei», sagt Blagojevic, «ist es weniger anspruchsvoll, ein KMU zu übernehmen, als eines von Grund auf neu aufzubauen.» Bei einer Firmenübernahme könne man sofort loslegen: «Das Geschäft läuft bereits, das Fundament ist da, man hat sichere Einnahmen sowie bestehende Kundinnen und Kunden. Das ist sehr wertvoll.»

Es gibt viele Unternehmen, die einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin suchen. Meistens wird das KMU innerhalb der Familie weitergegeben, doch nicht immer ist das möglich. Dann kommen Menschen wie Milan Blagojevic ins Spiel, die sich selbstständig machen wollen. Er sagt: «Die entscheidenden Fragen bei einer Firmenübernahme sind: Wie ist die Firma finanziell aufgestellt? Kann ich das bestehende Business transformieren? Und kann ich die Firma zu meinem Baby machen?»

Plötzlich hat der Chef den weitesten Arbeitsweg

Wenn ein neuer Chef in eine lange Zeit gut funktionierende Firma tritt und alles verändern will, dann sorgt das für Konfliktpotenzial. Dessen war sich auch Blagojevic bewusst: «Das Unternehmen hat sich am Markt bewährt, doch die Prozesse sind in die Jahre gekommen.» Am Anfang ging es darum, sich gegenseitig kennenzulernen, es gab viele Gespräche. Dann unzählige Workshops, so wurden die Verbesserungen nach und nach angestossen.

«Wenn da jemand neu hereinkommt, alles besser weiss und einfach entscheidet, dann verliert er das Team.»

Milan Blagojevic, Geschäftsführer von Okolo

«Ich hatte eine Vision und setzte Leitplanken», erzählt Blagojevic. «Aber letztlich ist es ein Effort des ganzen Teams. Das ist entscheidend: Wenn da jemand neu hereinkommt, alles besser weiss und einfach entscheidet, dann verliert er das Team. Diesen Weg kann man nur gemeinsam gehen.»

Er nennt ein Beispiel: «Wir haben im Team entschieden, wo die neuen Büros sein werden. Ich selbst wohne im Raum Rapperswil, viele Kolleginnen und Kollegen aber im Kanton Zürich oder im Aargau. Nun sind wir in Schlieren, das heisst, ich habe von allen den weitesten Arbeitsweg.» Früher seien die anderen mit dem Auto durch den Gubrist gefahren, nun sei er es, der am meisten Zeit im Auto verbringt. «Doch das ist in Ordnung für mich», sagt er und lacht. «Mit Aktionen wie dieser merkt das Team: Es geht nicht um mich, den Chef. Es geht um den Erfolg der ganzen Firma.»

Die Marktlücke entdeckt und ausgenutzt

Okolo bedient rund 350 Schweizer KMU mit individueller Business-Software. «Wir betreuen vorwiegend Unternehmen mit 5 bis 30 Mitarbeitenden», sagt Blagojevic, «Unternehmen, die in ihrer Nische sehr stark sind und deshalb das Bedürfnis nach einer individuellen Lösung haben.»

Hier sah er eine Lücke im Markt für ERP-Software in der Schweiz: Es gibt Plattformen wie Bexio oder Klara, die vor allem bei Kleinunternehmen und Selbstständigen beliebt sind. Und dann gibt es SAP oder Microsoft Dynamics für Grossunternehmen. «Zwischen diesen beiden Polen fehlte etwas, und hier sind wir mit voller Überzeugung eingestiegen.»

In der modernen Arbeitswelt ist es entscheidend, so viele Prozesse wie möglich zu digitalisieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben: «Viele KMU sind zu gross, um zu sterben, aber zu klein, um zu wachsen», sagt Blagojevic. «Wachstum ist kapitalintensiv – und hier kommen unsere Software-basierten Lösungen ins Spiel. Denn mit Automatisierung lassen sich Prozesse enorm vereinfachen.»

«In der Regel sind Unternehmen gar nicht so unerreichbar teuer, wie man vielleicht denkt.»

Milan Blagojevic, Geschäftsführer von Okolo

Blagojevic freut sich, dass die Firmenübernahme bisher ein Erfolg ist. Für ihn, aber auch für sein Team. Was hat er daraus gelernt? «Die SMC Computer AG wäre nie mein Kind geworden. Aber Okolo ist mein Baby!»

Er appelliert an andere, es ihm gleichzutun  und ein Unternehmen zu übernehmen statt zu gründen. «Viele KMU befassen sich mit der Nachfolgeplanung. Informiert euch und werdet selbst aktiv. Ruft einfach mal die aktuellen Inhaber potenzieller KMU an, dann merkt ihr schnell, ob es passen könnte oder nicht.» Und er ergänzt: «In der Regel sind Unternehmen gar nicht so unerreichbar teuer, wie man vielleicht denkt. Unter dem Strich stellt diese Version gegenüber einem Neuanfang gar die günstigere Variante dar.»

Neue Serie: Gryps besucht inno­vative Schweizer KMU

Das ist der achte Teil der neuen Artikel­serie von Gryps. Wir besuchen ver­schie­dene KMU, um ihr Erfolgs­modell zu ver­stehen. Wie hat sich das Unter­nehmen neu erfunden? Was ist der Business Case? Was sind Chancen und Risiken?

▶ Das war Teil 1: Die Serviceroboter von Arabesque
▶ Das war Teil 2: Das VR-Heimkino von IntelliHOME
▶ Das war Teil 3: «Zum richtigen Zeitpunkt den falschen Gedanken – das ist Innovation»
▶ Das war Teil 4: Wie Kaisin mit Poké Bowls die Gastronomie aufmischt
▶ Das war Teil 5: «KMU-Denken» reicht heute nicht mehr – das zeigt das Beispiel von quitt
▶ Das war Teil 6: Wie das Modelabel Nikin die Balance zwischen Nachhaltigkeit und Wachstum sucht
▶ Das war Teil 7: Ein «KMU-Tinder» für Lernende – wie Jomb den Bildungssektor aufmischt

Nächstes Mal porträtieren wir den Unternehmer, Investor und Advisor für innovative Start-ups Manfred Köhl.

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Zum Schluss: 5 Fragen zur Innovation an Milan Blagojevic

1. Was bedeutet Innovation für Sie?

«Man muss nicht der Erste sein, der etwas macht, sondern man muss der Erste sein, der es anders macht als andere. Wenn ich ein Problem löse mit Werkzeugen, die bereits zur Verfügung stehen, dann ist das Innovation. Davon abgrenzen würde ich den Pioniergeist: Pioniere stellen neue Werkzeuge her, Innovatoren wenden diese neu an.»

2. Wie lässt sich Innovation in einem KMU umsetzen?

«Das Mindset muss vorgelebt werden. Innovation scheitert häufig am Management, weil es nicht bereit ist, aus der Komfortzone auszubrechen. Und man muss das Team auf den Innovationsweg mitnehmen. Innovationen stellen eine Chance dar, sie anzupacken, bringen aber auch Risiken mit sich. Diese Risiken zu verstehen und zu entschärfen – das zeichnet Leadership aus.»

3. Haben Sie ein Beispiel aus Ihrem Arbeitsalltag?

«Von den Mitarbeitenden kam der Wunsch, eine neue Software einzusetzen. Ich sagte ihnen, sie sollten mir Vorschläge machen. Jetzt gibt es zwei Teams, die je ein anderes Tool bevorzugen. Beide Gruppen treten nun gegeneinander an und versuchen, den Rest des Teams in einem Pitch zu überzeugen. Ich spiele den Ball gerne zurück ans Team.»

4. Was würden Sie im Rückblick anders machen?

«Vor der Firmenübernahme dachte ich, dass ich weiss, wie ein KMU funktioniert. Trotzdem habe ich bei Okolo mindestens sechs Monate gebraucht, bis ich wirklich verstand, wo Geld verdient, verloren und ausgegeben wird.

Okolo ist eine kleine Firma, überschaubar, trotzdem dauerte es so lange. Damit hatte ich nicht gerechnet. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, einen externen Treuhänder zu engagieren, der die Zahlen analysiert und Handlungsempfehlungen gibt. Das war ein wichtiges Learning: Man darf nicht davor zurückschrecken, sich Unterstützung zu holen.»

5. Was ist Ihr Ratschlag an andere Unternehmerinnen und Unternehmer?

«Alte Zöpfe abschneiden. Es gibt sehr komplexe Unternehmensprozesse, die einfacher gelöst werden können, wenn man sie von Grund auf neu denkt. Heute lässt sich fast alles digitalisieren. Stellt euch immer wieder von Neuem die Frage: Wieso machen wir das so, wie wir es machen?»

Über Okolo
  • Gegründet: 1988 als SMC Computer AG
  • Namenswechsel zu Okolo: 1. Oktober 2022
  • Geschäftsführer: Milan Blagojevic
  • Mitarbeitende: 14
  • Website: okolo.ch

Okolo unterstützt Schweizer KMU bei der Digitalisierung und Automatisierung der betriebswirtschaftlichen Prozesse. Ihre ERP-Lösungen  (Enterprise Resource Planning) koordinieren den Datenfluss zwischen den Geschäftsprozessen eines Unternehmens.

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