Digital Boutique: «Digitale Transformation ist kein IT-Thema. Es ist ein Thema für das ganze Unternehmen»

Die Unternehmensberatung Digital Boutique aus Baden ist einer der treuesten Partner von Gryps. Wenn KMU ihr Business digital weiterentwickeln wollen, dann muss das ganze Unternehmen mitziehen. Wie das gelingen kann, sagen die beiden Gründer im Interview.

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Remo Giger (l.) und Dominique Walliser in ihrem Büro in Baden: «Das erste Projekt verläuft jeweils harzig, dann beginnt es zu rollen.» (Bild: Nicolas Krüsi)

Remo Giger und Dominique Walliser, ihr seid seit zwei Jahren mit eurer eigenen Firma unterwegs. Wie kam es dazu?

Remo Giger: Wir haben uns vor fünf Jahren bei Welti-Furrer kennengelernt. Ich war dort in der Geschäftsleitung und ja, die Firma war bei der digitalen Transformation in Rückstand geraten. Es gab zwar viele Ideen, aber kaum Zeit für die Realisierung. Das operative Geschäft hatte immer Vorrang. Deshalb schufen wir die Stelle eines Chief Digital Officer (CDO).

Was macht ein CDO?

Giger: Wir haben eine Person gesucht, die sich, losgelöst vom Alltagsgeschäft und von der IT-Abteilung, mit der digitalen Weiterentwicklung des Unternehmens befassen kann. Als CDO haben wir Dominique eingestellt. Dank ihm in dieser Position konnten wir sehr viel zum Positiven verändern.

Nach drei Jahren bei Welti-Furrer habt ihr die Digital Boutique gegründet. War eure Arbeit also erledigt?

Giger: Transformationsprozesse sind nie fertig. Wir hatten noch viele weitere Ideen, aber wir arbeiteten gut zusammen und hatten grosse Freude an der Weiterentwicklung des Unternehmens mit digitalen Lösungen. Wir beschlossen, dass wir genau das, was wir bei Welti-Furrer gemeinsam vorangebracht hatten, auch für andere Unternehmen umsetzen wollen. Digitale Transformation besteht im Prinzip aus zwei Bereichen: Geschäftsentwicklung und technische Lösungen. Genau das können wir gemeinsam bieten.

Was war das wichtigste Learning aus dieser Zeit? Dass es einen CDO braucht?

Giger: Es ist sicher entscheidend, dass ein Unternehmen über Kapazitäten verfügt, um sich aktiv der digitalen Transformation annehmen zu können. Noch wichtiger ist allerdings, dass man strategisch vorgeht und die digitale Entwicklung auf die Unternehmensziele ausrichtet.

Dominique Walliser: Für mich ist die Kommunikation von Erfolgsgeschichten entscheidend. So kann eine gute Dynamik entstehen. Es ist nicht zu empfehlen, etwa mit der ERP-Ablösung oder einem anderen Grossprojekt zu starten, das mindestens zwei Jahre dauert. Viel erfolgversprechender ist es, mit kleinen Leuchtturmprojekten zu starten.

Zum Beispiel?

Walliser: Einen Chat-Bot implementieren oder einen internen Social-Media-Kanal aufbauen. So schafft man mit überschaubarem Aufwand sichtbaren Mehrwert für die Mitarbeitenden.

«Es ist tatsächlich so, dass der Mensch Veränderungen nicht mag. Bei Veränderungen besteht die Gefahr, dass die eigene, eingespielte Arbeitsweise verloren geht.»

Remo Giger, Digital Boutique

Reicht das, um einen Kulturwandel anzustossen?

Giger: Das braucht natürlich Zeit, vor allem am Anfang. Das erste Projekt verläuft jeweils harzig, dann beginnt es zu rollen.

Walliser: Der Kulturwandel und die Benützung neuer Tools muss vorgelebt werden. Sobald die Mitarbeitenden proaktiv mitmachen und eigene Ideen entwickeln, ist ein grosses Ziel erreicht.

Was sind das für Unternehmen, die euch kontaktieren?

Walliser: Ganz unterschiedlich. Das können inhabergeführte KMU sein, Verwaltungsräte und sowohl jüngere wie ältere Geschäftsführende. Sie alle haben gemeinsam, dass sie etwas verändern wollen.

Oft entsteht doch dieser Wunsch nach Veränderung aufgrund von wirtschaftlichem Druck…

Walliser: Nein, der Druck kommt eher vom Markt. Es geht um mehr als nur um Kosten, es geht darum, auch in Zukunft gut aufgestellt zu sein. Die Kundenbedürfnisse ändern sich, aber auch die Mitarbeiterbedürfnisse ändern sich. Jüngere Menschen wollen zum Beispiel keine Dokumente einscannen, sondern mit digitalen Tools arbeiten.

Lässt sich jedes Unternehmen digital weiterentwickeln?

Giger: Ja, jedes KMU hat ein gewisses Potenzial. Ganz egal, ob es ein Handwerksbetrieb ist oder ein Kleidergeschäft.

Kommt es vor, dass ihr Kunden oder Aufträge ablehnt?

Giger: Ganz ehrlich, das ist bislang noch nicht passiert. Letztlich starten wir aber nur eine Zusammenarbeit, wenn wir und der Kunde Werte und Ziele teilen. Uns ist ausserdem wichtig, dass wir ausschliesslich im Sinne des Kunden handeln. Wir lehnen zum Beispiel sämtliche Rückvergütungen von IT-Firmen ab, weil wir unabhängig sein wollen.

Walliser: Es ist in der Tat anspruchsvoll für uns, Kunden zu gewinnen. Aber sobald wir mit Unternehmen zusammenarbeiten, bleiben sie bei uns. Es gibt uns jetzt schon mehr als zwei Jahre und langsam zeigt sich, dass wir Aufträge durch Weiterempfehlung erhalten. Das ist die schönste Bestätigung unserer Arbeit.

«Die Kundenbedürfnisse ändern sich, aber auch die Mitarbeiterbedürfnisse ändern sich. Jüngere Menschen wollen zum Beispiel keine Dokumente einscannen.»

Dominique Walliser, Digital Boutique

Ein KMU nimmt Kontakt mit euch auf: Wie geht ihr konkret vor?

Giger: Grundsätzlich haben wir zwei Arten von Kunden. Kunde A will verstehen, was sein Potenzial ist. Wie ist seine IT aufgestellt? Wie ist sein Unternehmen aufgestellt? Aus dieser Gesamtanalyse, die auch zahlreiche Interviews mit Mitarbeitenden sowie eine Marktanalyse beinhaltet, bauen wir eine Digitalstrategie für den Kunden. Sie ist die Basis für alles , was folgt. Wir analysieren auch, welches Budget und welche Ressourcen nötig sind und in welcher Reihenfolge die Projekte umgesetzt werden können.

Und Kunde B?

Giger: Dieser weiss bereits, was er will. Er kommt mit einer spezifischen Herausforderung zu uns. Ein Beispiel: Ein Kunde möchte den Verkauf verbessern. Dann bauen wir ihm eine neue Verkaufsorganisation und übernehmen die Projektleitung für die Implementierung eines neuen CRM.

Ihr analysiert nicht nur, sondern setzt auch gleich um?

Walliser: Unsere Dienstleistung lässt sich auf vier Worte reduzieren: Check, Create, Implement und Engage. Check meint Analyse, das heisst, wir schauen uns an, wie die Prozesse in einem Unternehmen aktuell ablaufen. Nur so verstehen wir, wie die Firma funktioniert und was die Trends sind – daraus erarbeiten wir dann in Create eine Digitalstrategie, die immer mit den Unternehmenszielen abgestimmt ist. Implement meint, dass wir die PS auf den Boden bringen, also Projekte umsetzen, und Engage schliesslich umfasst beispielsweise Mitarbeiterschulungen.

Ein grosse Hürde ist es oft, die Mitarbeitenden zu begeistern.

Giger: Das stimmt. Man schafft es selten, alle Mitarbeitenden mitzunehmen – da muss man realistisch bleiben. Doch im Normalfall gelingt es, das Gros der Belegschaft zu begeistern. Es gibt zwei Typen von Mitarbeitenden: Einerseits jenen, der stets im Bild sein möchte, der wissen will, was passiert. Ihn musst du von Anfang an ins Boot holen. Der andere Typ hat eher Angst vor dem Neuen. Er muss an der Hand genommen und eng begleitet werden. Das ist zwar zeitintensiv, aber es lohnt sich, diese Zeit zu investieren.

Weshalb? Es ist doch ein Leichtes, neue Mitarbeitende zu finden…

Walliser: Im Vordergrund steht immer, das Unternehmen mit dem bestehenden Wissen und der bestehenden Belegschaft weiterzuentwickeln. Es bringt nichts, alles zu eliminieren, was im Weg stehen kann. Darunter leidet die Qualität. Nur etwas hat auf den Erfolg eines Unternehmens einen noch grösseren Einfluss als die digitale Weiterentwicklung: die Mitarbeitenden selbst.

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Viele Menschen und Unternehmen sind zurückhaltend, ja sogar kritisch gegenüber Veränderungen. Weshalb?

Giger: Es ist tatsächlich so, dass der Mensch Veränderungen nicht mag. Bei Veränderungen besteht die Gefahr, dass die eigene, eingespielte Arbeitsweise verloren geht. Oft sind es banale, alltägliche Herausforderungen, die sich verändern – und genau deshalb muss man das ernst nehmen. Es gibt Mitarbeitende, die ihre Arbeit problemlos ohne digitale Tools erledigen können.

Der Aufwand für das Neue wird überschätzt…

Giger: Richtig. Die technische Umsetzung ist meist nicht anspruchsvoll. Aber alles rundum muss sauber aufgegleist werden – das ist das, was wirklich anspruchsvoll ist. Das Requirement Engineering muss perfekt sein, sonst wird es teuer und dauert lange.

Walliser: Wir stellen immer wieder fest, dass unsere Kunden überrascht sind, wie viel sie erhalten für weniger als erwartet. Oft rechnen sie mit höheren Beträgen und grösserem Aufwand.

Was sind die grössten Herausforderungen für die nächsten Jahre?

Giger: Es gibt viele Technologien, die stärker werden, beispielsweise künstliche Intelligenz oder Blockchain. Aber was sich wirklich verändert, ist die Kadenz, mit der neue Software-Lösungen auf den Markt kommen. Viele bieten eine riesige Chance für Unternehmen, sind gleichzeitig aber auch eine Gefahr, weil sie das Business disruptiv verändern können. Es ist eine riesige Herausforderung, hier eine Übersicht zu behalten. Jeden Tag gibt es über KI-Lösungen etwas Neues zu lernen. Doch wie finde ich heraus, welche Software wirklich relevant sein kann für mich und mein Unternehmen?

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Und wie finde ich das heraus?

Giger: Natürlich kann man Hunderte Fachartikel lesen und unzählige Newsletter abonnieren … zielführender ist: reden und zuhören. Sich auszutauschen mit IT-Providern, Experten oder anderen Geschäftsführern. Es wird immer schwieriger, allein die passenden Lösungen zu finden.

Welche Rolle spielt eigentlich die IT-Abteilung?

Walliser: Eine zu grosse – und das sage ich als Informatiker. Digitale Weiterentwicklung war in den letzten 15 bis 20 Jahren oft ein IT-Thema. Viele Geschäftsführer waren froh, dass es die IT war, die sich mit diesen komplexen Dingen wie Server, Software oder Security befasste. Doch inzwischen merken immer mehr Unternehmen, dass ihnen die IT-Abteilung auf der Nase rumtanzt.

Wie meint ihr das?

Walliser: IT-Abteilungen haben die Tendenz, ihr Wissen unter Verschluss zu halten, weil die Leute «sowieso keine Ahnung haben». Das muss sich ändern. Die IT ist nichts anderes als ein Service-Provider, sie ist ein Dienstleister innerhalb des Unternehmens. Digitale Weiterentwicklung ist kein IT-Thema, sondern sie ist ein Thema für die Weiterentwicklung des ganzen Unternehmens. Und sie fängt ganz oben an mit einer Digitalstrategie.

Über Digital Boutique

Die Unternehmensberatung wurde 2021 von Remo Giger (38) und Dominique Walliser (33) gegründet. Das Unternehmen entwickelt innovative Konzepte für Unternehmensentwicklung und setzt diese wirkungsvoll mit digitalen Lösungen um. Digital Boutique ist ein Select Partner von Gryps für den Bereich Digitalisierung und Unternehmensentwicklung.

Zur Website: digital-boutique.ch

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