Fristlose Kündigung, Überstunden & Umgang bei Krankheit des Kindes: Antworten auf 5 häufige arbeitsrechtliche Fragen
Arbeitgebende müssen sicherstellen, dass ihr Unternehmen stets alle arbeitsrechtlichen Vorgaben erfüllt, doch das Arbeitsrecht wirft in der Praxis viele Fragen auf. Wann ist eine fristlose Kündigung gerechtfertigt? Gilt ein mündlicher Arbeitsvertrag wirklich? Diese und weitere häufige Fragen beantworten wir im Blog.
Ab wann gilt ein Arbeitsvertrag: bereits bei der mündlichen Einigung oder erst nach der Vertragsunterzeichnung?
Der Arbeitgeber und ein neuer Arbeitnehmer haben sich mündlich auf eine Zusammenarbeit geeinigt: Per 1. Mai soll der Arbeitnehmer die neue Stelle als Polymechaniker antreten, der Arbeitsvertrag wird demnächst per Post zugestellt. Im Unternehmen kommt es nun aber zu einer Verzögerung und der Arbeitsvertrag kann nicht rechtzeitig ausgestellt werden. Ist hier die mündliche Einigung verbindlich oder gilt der Stellenantritt erst nach der Vertragsunterzeichnung?
Ein Arbeitsvertrag bedarf zur Gültigkeit keiner besonderer Form. Er kann schriftlich, mündlich oder sogar stillschweigend zustande kommen. Ausschlaggebend in einem solchen Fall sind die konkreten Umstände: Haben sich beide Parteien über alle Punkte geeinigt und auch das Datum des Stellenantritts festgelegt, kann der Vertrag auch schon mündlich zustande kommen. Das Arbeitsverhältnis läuft ab Stellenantritt, auch wenn noch kein schriftlicher Vertrag unterzeichnet wurde. Dieser gilt dann nur noch als Bestätigung der mündlichen Abmachung. In der Praxis ist es allerdings schwierig, die mündliche Einigung zu beweisen.
Wie müssen Überstunden entschädigt werden?
Von Überstunden (Art. 321c OR) spricht man, wenn die Mehrarbeit die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit übersteigt. Wird hingegen die gesetzliche Höchstarbeitszeit überschritten, so ist das Überzeit (Art. 13 ArG). Arbeitnehmende sind verpflichtet, über das vereinbarte Pensum hinaus Mehrarbeit zu leisten, sofern sie notwendig und zumutbar ist. Sie müssen Überstunden nicht nur dann leisten, wenn diese vom Vorgesetzten ausdrücklich angeordnet worden sind, sondern auch, wenn sie selbst erkennen, dass eine bestimmte Situation Mehreinsatz erfordert. Überstunden sind nach Art. 321c OR innert eines angemessenen Zeitraums durch Freizeit von mindestens gleicher Dauer zu kompensieren, sofern der oder die Arbeitnehmende damit einverstanden ist. Andernfalls sind sie mit einem Lohnzuschlag von mindestens 25% zu entschädigen. Arbeitgebenden steht es aber auch frei, schriftlich eine andere Lösung mit den Arbeitnehmenden zu vereinbaren, beispielsweise dass Überstunden gar nicht oder nur zeitlich (und nicht finanziell) entschädigt werden.
Muss den Mitarbeitenden bei Krankheit ihres Kindes Urlaub gewährt werden?
Arbeitgebende haben bei der Festsetzung der Arbeits- und Ruhezeiten auf Arbeitnehmende mit Familienpflichten besonders Rücksicht zu nehmen (Art. 36 ArG). Gegen Vorweisen eines ärztlichen Zeugnisses stehen betroffenen Personen für die Pflege und Betreuung von kranken Kindern bis 15 Jahren deshalb maximal drei Tage Urlaub pro Ereignis und höchstens zehn Tage pro Jahr zu. Dieses Recht steht sowohl der Mutter als auch dem Vater zu und besteht pro Krankheitsfall. Die Absenz wird so behandelt, wie wenn der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin selbst krankheitsbedingt ausfallen würde, jedoch mit dem Unterschied, dass die Arbeitnehmenden dazu angehalten sind, sich um das Finden einer geeigneten Betreuungsperson zu bemühen. Ausnahmsweise sind auch längere bezahlte Absenzen möglich, beispielsweise wenn die Anwesenheit eines Elternteils am Krankenbett des Kindes zwingend erforderlich ist.
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Wann ist eine fristlose Kündigung möglich?
Eine fristlose Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis sofort und kann auch nicht nachträglich noch in eine ordentliche Kündigung umgewandelt werden, deshalb ist sie nur aus wichtigen Gründen erlaubt. Dazu zählt gemäss Art. 337 OR “jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein dem Kündigenden nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf”. Im Streitfall entscheidet das Arbeitsgericht, ob das auf den konkreten Fall zutrifft. Eine Auswahl an Gründen, die von den Gerichten bisher als wichtig anerkannt wurden:
- Vergehen oder Verbrechen während der Anstellungsdauer (z. B. Diebstahl, Schummeln bei der Zeiterfassung)
- Wiederholte und beharrliche Verweigerung der zugewiesenen Arbeit, unberechtigtes Fernbleiben vom Arbeitsplatz oder wiederholtes unentschuldigtes Zuspätkommen (in diesen Fällen muss der Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin grundsätzlich zunächst eine Verwarnung ausgesprochen haben)
- Illoyales Verhalten gegenüber dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin, Beleidigungen oder sexuelle Belästigung von Vorgesetzten, Arbeitskolleginnen oder Arbeitskollegen
- Falsche Angaben zu Fähigkeiten, absolvierten Ausbildungen o. ä. bei der Stellensuche, sofern diese für die Arbeitstätigkeit wesentlich sind
Welche Verfehlungen dürfen Arbeitgebende im Arbeitszeugnis erwähnen?
Zeugnisse sind rechtlich gesehen Urkunden und müssen wahr, unzweideutig, vollständig und wohlwollend sein. Das berufliche Fortkommen der Arbeitnehmenden darf nicht unnötig erschwert werden. Es gilt der Grundsatz: Wahrheit vor Wohlwollen. Negative Bewertungen in einem Zeugnis sind nicht verboten, sofern sie zutreffen und wesentliche Dinge betreffen. Geringfügige Vorkommnisse oder einmalige Differenzen, welche für die Beurteilung des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin nicht repräsentativ sind, wie beispielsweise einmaliges oder seltenes Zuspätkommen, einzelne Konflikte oder vereinzelt schlechte Arbeitsleistung, dürfen nicht im Arbeitszeugnis stehen. Handelt es sich hingegen um für das Unternehmen gravierende Verfehlungen wie beispielsweise strafrechtliche Delikte gegenüber Arbeitgebenden, regelmässig unzuverlässige und unsorgfältige Arbeitsweise, wiederholte Missachtung von Anweisungen, häufige Streitigkeiten mit den Vorgesetzten und dem Team oder wiederholte Trunkenheit am Arbeitsplatz, kann das im Arbeitszeugnis erwähnt werden.
Quellen:
- Obligationenrecht: Der Arbeitsvertrag
- Arbeitsrecht: Was gilt im Berufsalltag? Vom Vertragsabschluss bis zur Kündigung.
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