Wenn das Konkursrecht nur noch der Selbsterhaltung dient
Fachbeitrag von Raoul Egeli, Creditreform
Das Schweizer Konkursrecht ist zum Spielball politischer Interessen geworden und gleicht inzwischen mehr einem Flickenteppich als einem Gesetz, das allen gerecht wird. Zunehmend benachteiligt sind die Gläubiger.
In den letzten Jahren gab es in der Gesetzgebung zu Schuldbetreibung und Konkurs eine ganze Reihe von politischen Vorstössen, die nicht im Interesse der Gläubiger sind. So wollen Bundesrat und Nationalrat die öffentliche Hand berechtigen, auch Firmen auf Pfändung betreiben zu können, was privaten Gläubigern verwehrt ist. Ginge es nach der Linken, wäre der Bezug von Bonitätsinformationen mit der Datenschutzgesetzrevision gestrichen worden. Des weiteren wurde die Betreibungsauskunft mit der Revision von Artikel 8a SchKG unnötig geschwächt. Betreibungen lohnen sich noch weniger, da der Schuldner die Anzeige von Betreibungen verhindern kann. Dies, obwohl die Betreibung in den allermeisten Fällen gerechtfertigt ist, sich jedoch die Beseitigung des Rechtsvorschlages für den Gläubiger einfach nicht rechnet. Die zweifelsfreie Identifikation von Privatpersonen ist nicht möglich und wurde vom Gesetzgeber erschwert. Das Problem ist bekannt und ein frei zugänglicher Personenidentifikator wäre notwendig, um Abhilfe zu schaffen. Dieser wird aber nur der öffentlichen Hand zugestanden. Es wird dabei vergessen, dass es der Gläubiger ist, der dem Kunden mit der Gewährung eines Lieferantenkredites die Leistungserbringung vorfinanziert – und dies blanko, ohne jegliche Sicherheit. Dabei wäre eine effiziente Zwangsvollstreckung zentral für eine funktionierende Wirtschaft.
Misstrauen ersetzt Vertrauen
Die Benachteiligung der Gläubiger nagt nicht nur an der Existenzfähigkeit von KMU und institutionellen Gläubigern, diese ist auch im höchsten Grad demotivierend und beeinträchtigt die Zahlungsmoral aller Schuldner. Und, man darf sich nicht täuschen, die heutigen Zustände verteuern letztlich die Produkte und die Dienstleistungen für jene Personen, die ihre Rechnungen immer vollständig und pünktlich zahlen: Irgendjemand muss ja den Verlust auffangen. Auf Dauer werden diese Systemmängel dazu führen, dass Produkte und Dienstleistungen gegen Vorauskasse verkauft und erbracht werden. Das in der Wirtschaft bisher gegenseitig entgegengebrachte Vertrauen wird damit ad acta gelegt.
Konkursverfahren lohnen sich nicht mehr
Der durchschnittliche Verlust bei einem erledigten Konkursverfahren, sei es ordentlich oder summarisch, betrug für die Jahre 2018 und 2019 365‘000 Franken. 98 Prozent der Verfahren enden heute weitgehend erfolglos. Das kommt nicht von ungefähr. Denn die Gläubiger tragen neben dem Verlust- auch noch das Kostenrisiko für das Konkursverfahren. Der Gläubiger muss einen Kostenvorschuss von durchschnittlich 5’000 Franken leisten, will er das Konkursverfahren gegen den Schuldner eröffnen. Die übrigen Gläubiger können auf dieses Verfahren aufspringen. Damit schmälern sie aber auch die Aussicht auf Erfolg, denn der Erlös wird aufgeteilt. Welcher ökonomisch denkende Unternehmer ist unter diesen Umständen bereit, ein Konkursbegehren zu stellen und weitere unnötige Kosten auf sich zu nehmen? Leider fehlen aktuelle Zahlen zu den Konkursdividenden in der Schweiz. Transparenz liegt nicht im Interesse der Ämter. Die letzten verfügbaren Angaben stammen aus dem Jahr 2007. Die durchschnittliche Konkursdividende bei den erledigten Konkursverfahren betrug damals 5,6 Prozent. Beobachtungen legen nahe, dass es heute noch schlechter darum bestellt ist. Wer ist noch bereit, mit diesen Erfolgsaussichten ein Verfahren anzustrengen? Lohnen würde es sich nur für Forderungen ab 89'000 Franken. Am erschreckendsten ist die Analyse der Verfahren selbst. Im Jahr 2007 waren 47 Prozent der Verfahren mangels Aktiven eingestellt worden. Heute sind es 58 Prozent. Die erledigten summarischen Verfahren sind im selben Zeitraum von 45,9 Prozent auf 40,3 Prozent zurückgegangen. Diese werden nur dann angewendet, wenn das Konkursamt damit rechnen kann, zumindest seine Kosten zu decken.
Auch Betreibungen betroffen
Bei den Betreibungen sieht es insbesondere bei geringen Forderungen nicht besser aus. Für die provisorische Rechtsöffnung braucht es eine Schuldanerkennung, also ein vom Schuldner handschriftlich unterzeichnetes Dokument. Da dieses in den allermeisten Fällen in der digitalisierten Zeit nicht eingeholt werden kann, müsste für die Beseitigung des Rechtsvorschlages der Weg des Zivilprozesses eingeschlagen werden, was in den meisten Fällen aus Zeitgründen und wegen hoher Kosten völlig unverhältnismässig ist. Einerseits kann ein erhobener Rechtsvorschlag nicht mit vertretbarem Aufwand beseitigt werden, andererseits kann der Schuldner die Betreibung «löschen» lassen, wenn der Gläubiger nicht nachweist, den Rechtsvorschlag zu beseitigen - was er in den allermeisten Fällen aus guten Gründen unterlassen wird.
Kostenvorschuss streichen
Nur noch gerade 0,06 Prozent der Konkurse werden heute in einem ordentlichen Verfahren abgewickelt. Da stellt sich die Frage, wem dieses überhaupt noch dient. Das gilt noch mehr für die summarischen Verfahren, die dem Gläubiger in aller Regel gar nichts bringen ausser zusätzlichen Kosten. Folglich könnte man auf deren Durchführung verzichten und der diesbezüglich unnötige Verwaltungsapparat könnte heruntergefahren werden. Bei rund 5'900 summarischen Konkursverfahren könnten rund 20 Millionen Franken eingespart werden. Der Kostenvorschuss dient nur noch der Erhaltung des Verwaltungsapparates. Leider fehlen genauere Angaben, aber es muss vermutet werden, dass über die Jahre auch die durchschnittliche Höhe des Kostenvorschusses zugenommen hat.
Kostenvorschuss abschaffen
Da die konkursiten Gesellschaften ohnehin schon ausgehöhlt worden seien, könne auch nichts mehr geholt werden, heisst es. Doch das Konkurswesen sollte einem anderen Zweck dienen. Konkursite Gesellschaften müssen möglichst frühzeitig liquidiert werden, um weitere unnötige Schäden zu vermeiden. Wollte man wirklich eine Lösung des Problems finden, so müsste der Kostenvorschuss für Gläubiger ganz gestrichen werden. Das Konkursamt sichert sich damit nur die Einnahmen für den Verwaltungsapparat, ohne dass ein Anreiz geschaffen wird, erfolgreich zu sein. Müssten die Konkursämter diesen durch erfolgreiche Konkursverfahren selbst finanzieren, wären die Interessen der Gläubiger besser gewahrt und die Konkursämter nicht dem Abwicklungsprimat verpflichtet.

Raoul Egeli, Präsident Creditreform
Schweiz. Verband Creditreform
Teufener Strasse 36
9000 St.Gallen
Tel: +41 71 221 11 80
[email protected]
www.creditreform.ch
Raoul Egeli ist seit 2008 Präsident des Schweizerischen Verbands Creditreform und seit 2014 Präsident von Creditreform International sowie Mitglied der Gewerbekammer des SGV. Zudem ist er Geschäftsführer der Creditreform Egeli Gesellschaften in Basel, Bern, St. Gallen und Zürich. Seit 2019 ist er Mitglied im Vorstand des Inkassoverbandes Inkasso Suisse und war von 2009 bis 2013 Zentralpräsident von TREUHAND|SUISSE. Raoul Egeli ist Autor mehrerer Fachbücher rund um das Thema Kredit und Forderungsmanagement.
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