Schlagwort «Krise» – Ist die Lage so schlimm, wie viele denken?

Blogbeitrag von Nathali Delavy

Das Wort «Krise» ist zurzeit in aller Munde. Es wird nicht nur im Kontext des Kriegs in der Ukraine verwendet, sondern auch im Zusammenhang mit der jetzigen wirtschaftlichen Situation. Doch ist die Rede von einer «Krise» gerechtfertigt? Ist und wird es wirklich so schlimm, wie viele befürchten?  

Laut Jan-Egbert Sturm (Ökonom und Direktor der KOF Konjunkturforschungsstelle der Schweiz) lautet die kurze Antwort: Nein. Es gebe dabei zwei Seiten zu beachten: die Realität und die Vorstellung in unseren Köpfen. 


Selbsterfüllende Prophezeiung

Durch die steigenden Strom- und Gaspreise sowie die zunehmende Inflation schauen Konsumentinnen und Konsumenten getrübt auf die Zukunft. Die Erwartung, dass die Situation schlimmer wird, lauert in den Hinterköpfen. Genau das sei das Problem, meint Sturm. Glaubt man, dass die Situation schlimmer werde, so verhalte man sich unterbewusst vorsichtig. Das vorsichtige Verhalten sei genau das, was die Situation schlimmer machen würde. Es sei also ein Fall einer „self-fulfilling prophecy“.

Auch die Nachrichten aus dem benachbarten Ausland verheissen Schlimmes. In Deutschland stieg die Teuerungsrate im September auf 10%. Das wird sich auch auf die Schweiz auswirken, da Deutschland einer unserer wichtigsten Handelspartner ist. Trotzdem bedeutet das für die Schweiz nicht automatisch eine Rezession. In der Realität ist es so, dass die Lage angespannt ist. Die Energiepreise sind hoch, die Inflation nimmt zu und die Lieferketten sind unterbrochen. Das deutet jedoch nicht auf eine Katastrophe hin, sondern vorerst auf einen schwierigen Winter. Was also in der Realität geschieht, wird zum Teil als schlimmer eingestuft, als was es wirklich ist.


Die Lösung liegt in der Politik

Gemäss Sturm liegt die Lösung dieses Problems in der Politik. Politische Akteure sollen vor der Krise warnen, denn genau das würde die benötigte Verhaltensänderung verursachen. Die Politik müsse sich auf ein Worst-Case-Szenario vorbereiten, denn nur so könne man ein solches verhindern. Es sei dabei jedoch wichtig, dass positive Signale gesendet werden, die darauf hindeuten, dass die Situation besser wird. Ein anschauliches Beispiel dafür ist die erwartete Abschaffung der Negativzinsen durch die SNB. Die Anpassung des Leitzinses wird zu einer Verlangsamung beziehungsweise Beruhigung der Wirtschaft führen. Das wird im Gegenzug auch zu einer Beruhigung des Volkes führen, was weitere positive Effekte auf die Situation und die Entwicklung haben wird.


Sicht der Unternehmen

Aufseiten der Unternehmen sieht die Situation etwas positiver aus. Gemäss der KOF-Umfrage im Sommer zeigen sich Unternehmen noch nicht sehr beunruhigt. Sie blicken optimistisch auf die momentane Lage und sind nach wie vor bereit, zu investieren. In Hinblick auf die Zukunft verhalten sich die Unternehmen jedoch ein wenig vorsichtiger. 

Ob sich die Meinungen seit der KOF-Umfrage im Sommer geändert haben, ist unklar. Es gibt jedoch Stimmen aus der Privatwirtschaft, die sich pessimistisch äussern. Eine dieser Stimmen ist der Kunststoffhersteller Silac. In einem Interview mit dem Tagesanzeiger meint der CEO, Peter Birchler, dass es an die Existenz seiner Firma gehen werde, sollte der Strompreis weiterhin so hoch bleiben. Dieses Problem würde vielen KMU bevorstehen, meint der Schweizer Gewerbeverband. 

Eins ist also klar: Die Meinungen sind momentan noch gespalten. Wie sich diese Situation weiter entwickelt, steht in den Sternen. Wir können jedoch davon ausgehen, dass der Takt weiterhin von der Entwicklung der politischen Lage angegeben wird. 

Quellen:

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