«Um Fachkräfte anzuziehen, kann die BVG-Lösung eine Rolle spielen»
Für die berufliche Vorsorge gibt es gesetzliche Vorgaben. Unternehmen können jedoch einiges selbst bestimmen und damit sogar attraktivere Arbeitgeber sein. Welche Möglichkeiten es dabei gibt, erklärt ein Experte von Baloise.
Verfasst von der Gryps-Redaktion

Unternehmen haben einige Möglichkeiten, um ihren Mitarbeitenden attraktive Konditionen bei der beruflichen Vorsorge zu bieten. Je nach Situation haben Mitarbeitende andere Ansprüche. Wie Sie diesen gerecht werden, erklärt der Experte Marc Altermatt. Er leitet seit 2024 das Produktmanagement Kollektivleben bei Baloise, dem Premium Partner von Gryps. Beim Versicherungskonzern ist Altermatt seit 2010 in verschiedenen Funktionen tätig.
Gryps: Was sind 2025 die grössten Herausforderungen in der beruflichen Vorsorge (BVG)?
Marc Altermatt: Die meisten Herausforderungen in der beruflichen Vorsorge existieren nicht erst seit 2025. Setzt man die Unternehmerbrille auf und schaut auf das Thema BVG, ist sicherlich die Komplexität eine Herausforderung. Spezifische Lösungen dazu finden Unternehmen in der Regel in einer Beratung.
Inwiefern stellt die demografische Entwicklung eine Herausforderung dar?
Es ist erfreulich, dass wir Menschen immer älter werden. Eine Vorsorgeeinrichtung steht dadurch vor der Herausforderung, Renten über einen längeren Zeitraum auszuzahlen, wodurch das angesparte Altersguthaben für eine längere Zeitspanne ausreichen muss. Damit kommen wir zu einer weiteren Herausforderung: Der gesetzliche Umwandlungssatz ist aktuell einfach nicht an die Lebenserwartung angepasst. Das war einer der Hauptgründe für die Abstimmung über die BVG-Reform im September 2024. Am Ende geht es darum, die Renten zu sichern. Und das geht nicht, wenn der Umwandlungssatz zu hoch ist in Relation zur Lebenserwartung.
Kennen Sie dazu ein konkretes Beispiel?
Die Generation der Babyboomer ist mittlerweile pensioniert oder kommt jetzt ins Pensionsalter. Und da passiert genau das: Bei den erwirtschafteten Anlageerträgen kommt es zu einer Umverteilung von Aktivversicherten zu Rentnern, damit die bestehenden Rentenverpflichtungen bezahlt werden können. Das ist nicht im Sinne des ursprünglichen Systems. Jemand muss das finanzieren und aktuell geschieht dies zulasten der Aktivversicherten, also der jüngeren Generationen.
Was müssen Unternehmen im Hinblick aufs Arbeitspensum ihrer Mitarbeitenden beachten?
Das Schweizer Vorsorgesystem ist nur bedingt für Teilzeiterwerbende konzipiert und kommt aus einer Zeit, als Teilzeitarbeit noch weniger gefragt war. Heute gibt es aber immer mehr Teilzeit-Mitarbeitende, die weniger Alterskapital ansparen. Unternehmen haben heute die Möglichkeit Einfluss darauf zu nehmen, etwa durch entsprechende Anpassungen in den Vorsorgelösungen.
Was spielen die Finanzmärkte für eine Rolle?
Vorsorgeeinrichtungen legen die Gelder am Finanzmarkt an, um darauf Renditen zu erwirtschaften. Die Höhe der erwirtschafteten Rendite beeinflusst die Höhe der Verzinsung auf den Altersguthaben und die Stabilität der Vorsorgeeinrichtung. Im Jahr 2024 beispielsweise waren die durchschnittlich erwirtschafteten Renditen hoch, dementsprechend positiv ist die durchschnittliche Verzinsung auf den Altersguthaben ausgefallen.
Ist das für alle Unternehmen gleich relevant?
Bei einer Vollversicherung ist die Entwicklung an den Finanzmärkten aus Unternehmenssicht vernachlässigbar. Hier haben Unternehmen ein Garantieprodukt, will heissen, jegliche Risiken sind durch den Lebensversicherer abgedeckt. Die Anlagestrategie ist entsprechend konservativ gewählt. Bei einer teilautonomen Lösung sind die Entwicklungen der Finanzmärkte relevanter und die Anlagestrategie fällt progressiver aus. Bei einer positiven Entwicklung steigen die Chancen auf eine höhere Verzinsung der Altersguthaben. Bei einer negativen Entwicklung kann die Vorsorgeeinrichtung jedoch auch in eine Unterdeckung fallen, was entsprechende Sanierungsmassnahmen zu Lasten der Anschlüsse nach sich ziehen kann.
Vollversicherungsmodell
- Umfassender Versicherungsschutz (keine Sanierungsbeiträge, voller Kapitalschutz)
- Garantierte Verzinsung der Altersguthaben
- Arbeitgeber muss sich keine weiteren Gedanken machen
Teilautonomie
- Stiftung erhält die volle Performance
- Tendenziell höhere Verzinsung der Altersguthaben, Zinsen können aber schwanken
- Günstigere Risiko- und Kostenprämie
Die Entscheidung fällt hier zwischen maximaler Sicherheit und Chance auf mehr Rendite. Unternehmen können die BVG-Lösung jedoch bis ins Detail massschneidern.
Mehr zu den Vorsorge-Arten erfahren Sie im Praxisratgeber von Gryps.
Welche Entwicklungen gibt es aus Sicht von Baloise beim BVG?
Wir stellen einen zunehmenden Trend in Richtung teilautonome Lösungen fest. Immer mehr Unternehmen interessieren sich für die Teilautonomie, bei der man zwar mehr Risiko und Verantwortung trägt, aber auch die Chance auf eine höhere Verzinsung besteht. Die Entwicklung sehen wir insbesondere bei grösseren, am Markt etablierten Unternehmen.
In welchen Situationen ist eine Vollversicherung die bessere Lösung?
Hierzu kann man keine pauschale Aussage treffen. Relevant sind das Bedürfnis und der Risikoappetit des Unternehmens. Wir beobachten, dass die Vollversicherung insbesondere für KMU eine hohe Wichtigkeit hat. Kleinbetriebe stellen oft die finanzielle Sicherheit in den Vordergrund. Es gibt aber auch nach wie vor grössere Unternehmen, die einer Vollversicherung angeschlossen sind und umgekehrt kleinere Unternehmen, die sich für eine teilautonome Lösung entscheiden.
In einigen Branchen gibt es einen Fachkräftemangel. Davon sind auch KMU betroffen. Wie kann eine attraktive BVG-Lösung bessere Bedingungen schaffen?
Eigentlich ist die berufliche Vorsorge Teil der Gesamtvergütung. Wenn ein Unternehmen Fachkräfte anziehen möchte, kann die BVG-Lösung also eine Rolle spielen. KMU können einen attraktiven Vorsorgeplan ausarbeiten, beispielsweise mit Leistungen über dem Obligatorium, höheren Beiträgen seitens Arbeitgeber oder Verbesserungen im Hinblick auf die Risikoleistungen. Spannend sind auch Wahlpläne. Diese werden öfters in grösseren Unternehmen angeboten. Hier können Angestellte jährlich wählen, ob sie mit der beruflichen Vorsorge mehr oder weniger ansparen möchten.
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Gibt es bestimmte Situationen, in denen ein Wahlplan nützlich sein kann?
Mitarbeitende können ihre Beiträge je nach Lebensphase anpassen. Beispielsweise können sie in jungen Jahren geringere Beiträge leisten und diese im Laufe der Zeit erhöhen, wenn sie finanziell besser aufgestellt sind oder weniger Liquidität benötigen.
Können Sie konkrete Beispiele nennen für solche Lebensphasen?
Nehmen wir als Beispiel ein Paar, das gerade ein Haus gekauft hat oder ein Kind bekommt und ein neues Auto anschaffen will. In diesem Fall können die Arbeitnehmenden einen Plan wählen, bei dem sie weniger in der beruflichen Vorsorge ansparen, damit mehr Cash vorhanden ist. Je näher die Pensionierung kommt, desto mehr setzen sich Personen dann mit der Höhe ihres Altersguthaben auseinander und teilweise – abhängig von der persönlichen Situation – hat man in dieser Lebensphase auch mehr Möglichkeiten zu sparen. Ältere Arbeitnehmende können somit einen Plan wählen, bei dem die monatlichen Beiträge wieder höher ausfallen.
Wann sollten sich Unternehmen Gedanken über einen BVG-Wechsel machen?
Es hängt stark damit zusammen, wie sich ein Unternehmen entwickelt. Die üblichen Laufzeiten von BVG-Verträgen betragen drei bis fünf Jahre. Gründe für einen Wechsel der Vorsorgelösung sind etwa Umstrukturierungen durch Personalfluktuationen oder Änderungen in der Altersstruktur von Mitarbeitenden. Aber auch, wenn ein Start-up die Anfangsphase erfolgreich überstanden hat und neu mehr Mittel für eine Investition in die berufliche Vorsorge vorhanden sind – in diesen Fällen lohnt sich die Überprüfung der bestehenden Vorsorgelösung.