Wie rechne ich Kurzarbeit richtig ab? Antworten der HR-Expertin
Interview mit Lea Andrist, Inhaberin der HR Andrist GmbH
Für viele KMU ist das Thema Kurzarbeit auch nach den ersten Lockerungsankündigungen des Bundes noch top-aktuell. HR-Expertin Lea Andrist beantwortet uns deshalb im Interview die wichtigsten Fragen rund um die Lohnadministration in Zeiten von Kurzarbeit.
Gryps: Liebe Frau Andrist, besten Dank für Ihre Zeit. Die Kurzarbeit wurde noch nie von so vielen KMU gleichzeitig eingeführt. Das führt aktuell zu vielen neuen Fragen, auch bezüglich der Lohnadministration. Gehen wir für unser Gespräch davon aus, dass ein KMU 40% Kurzarbeit beantragt hat und diese bewilligt wurde. Damit zahlt das Unternehmen 60% des Lohnes weiter und 80% des fehlenden Lohns wird von der Kurzarbeit übernommen.
Was muss das KMU für die Abrechnung der Löhne während der Kurzarbeit als erstes beachten?
LA:Jeder Mitarbeiter muss die gearbeiteten Stunden in einem Zeiterfassungs-Tool sehr genau erfassen. Zudem müssen Ferien-, Krankheits-, Zivildiensttage etc. auch aufgezeigt werden, denn für die Abrechnung der Kurzarbeit zählt nur die Ist-Arbeitszeit. Kurz gesagt berechnet sich die Kurzarbeitszeit so: Sollarbeitszeit - gearbeitete Stunden - Absenzen wie Ferien, Krankheit etc. = Kurzarbeitszeit.
Gryps:Ich habe einen Mitarbeiter der kurzfristig in den Zivildienst musste. Warum erhalte ich für diese Tage keine Kurzarbeitsentschädigung?
LA: Wichtig zu wissen ist, dass Ferien, Krankheit, Zivildienst, Mutterschaftsurlaub etc. nicht in die Kurzarbeit fallen. Für diese Zeiten werden vom kantonalen Arbeitslosenamt keine Vergütungen stattfinden. Sie werden aber von unterschiedlichen Versicherungen, wie z.B. der KTG-Versicherung oder der EO-Versicherung, beglichen. Zudem gilt, dass Ferien nicht vergütet werden.
Gryps: Können Sie bitte kurz erklären, wie die Abrechnung optimalerweise zum Beispiel für den Monat März aussehen würde?
LA:Bleiben wir bei unserem Beispiel. Die Kurzarbeit beträgt 40% und der Mitarbeiter hat z.B. im Monat März tatsächlich exakt 60% gearbeitet. Der Mitarbeiter erhält in dieser Zeit statt dem 100% Lohn doch noch einen Lohn von 92% (60% + 80% von 40%). Das Unternehmen muss diesem Mitarbeiter somit per Ende März 92% Lohn überweisen. Die Entschädigung vom Arbeitslosenamt wird 80% der Kurzarbeit betragen. In diesem Beispiel ist dies 80% von 40%. Somit wird das Unternehmen vom kantonalen Arbeitslosenamt eine Entschädigung von 32% erhalten.
Gryps: Das Unternehmen musste den Lohn schon Ende März begleichen. Der Zeiterfassungsrapport des Mitarbeiters zeigt nun aber nach dem Überweisen des Lohnes auf, dass dieser Mitarbeiter im März doch 80% gearbeitet hatte. Die obige Berechnung stimmt somit nicht. Wie muss das Unternehmen nun vorgehen?
LA:Der Lohn muss für den Monat März neu berechnet werden. Das Unternehmen muss dem Mitarbeiter für den März 96% Lohn überweisen. Nämlich 80% Lohn, welcher das Unternehmen tragen muss, und 80% von den restlichen 20%, die dann vom Arbeitslosenamt entschädigt werden. Die Differenz von 4% muss dem Mitarbeiter im April nachbezahlt werden. Vom Arbeitslosenamt wird das Unternehmen dann 16% erhalten.
Gryps: Wann erhält das KMU die Entschädigung vom kantonalen Arbeitslosenamt? Jeweils vor der Überweisung der Monatslöhne?
LA: Da gibt es keine Vorschriften, die Ämter sind zur Zeit sehr überlastet und arbeiten einen Fall nach dem anderen ab. Es kann somit auch einige Zeit dauern, bis eine Entschädigung eintrifft.
Gryps: Kann das KMU bei Liquiditätsengpass während der Kurzarbeit auch nur einen Teil des Lohnes überweisen und den Restbetrag erst nach Eingang der Arbeitslosenentschädigung?
LA:Nein, das geht nicht, der Arbeitsvertrag geht vor. Der Arbeitgeber muss seinen Pflichten nachkommen und den Lohn gemäss Arbeitsvertrag termingerecht überweisen. In den meisten Fällen ist dies Ende Monat.
Gryps: Unternehmen, die die Lohnadministration von einem externen Unternehmen machen lassen, sind nun im Vorteil. Der Profi wird die Löhne korrekt abrechnen. Wie gehen nun KMU vor, die die Löhne selber im Software-Tool eingeben müssen?
LA: Ende Monat wird der Lohn gemäss der angenommenen Kurzarbeit, wie wir dies bisher besprochen haben, berechnet. In den meisten HR-Softwaretools ist im System bereits die Lohnart Kurzarbeit hinterlegt. Diese Lohnart muss aktiviert werden und dann entsprechend den Vorgaben die Löhne eingegeben werden. Am Schluss sieht es dann bei unserem Beispiel meistens wie folgt aus:
- 100% Lohn = 5000 CHF
- Abzug Kurzarbeit = - 2000 CHF
- Entschädigung Kurzarbeit = 1600 CHF
Die Lohndifferenz beträgt hier 400 CHF. Wenn die Lohnart Kurzarbeit hinterlegt wird, wird gleichzeitig auch automatisch 100% der Sozialleistungsabzüge berechnet. Diese müssen während der Kurzarbeitszeit immer zu 100% abgezogen werden. Wichtig ist hier, dass man im Zusatztext schreibt, dass es sich um eine provisorische Abrechnung handelt.
Gryps: Kann ich bei Liquiditätsengpass die Sozialleistungen und die MwSt-Zahlungen aufschieben? Wie muss ich vorgehen?
LA: Zur Zeit bieten die Ämter an, dass diese Zahlungen aufgeschoben werden können. Um sicher zu gehen, empfehle ich, einen schriftlichen Antrag beim entsprechenden Amt zu stellen. Mit dem schriftlichen O.K. des Amtes ist man auf der sicheren Seite.
Gryps: Wie gehe ich mit Mitarbeitern während Kurzarbeit um, die im Stundenlohn arbeiten?
LA:Dazu gibt es sehr viele Ausnahmeregelungen. Meistens nimmt man den Durchschnittslohn der letzten 6 – 12 Monate. Allerdings ist es sehr schwierig abzuschätzen, bei welchen Stundenlöhner die Kurzarbeitsentschädigung greift. Hier empfehle ich eine Abklärung beim Arbeitslosenamt oder bei Juristen.
Gryps: Frau Andrist, herzlichen Dank für diese ausführlichen Informationen. Ich sehe, die Abrechnung ist sehr komplex. Wenn ein KMU bis jetzt die Lohnabrechnung selber gemacht hat, an wen kann es sich wenden, wenn es jetzt Unterstützung benötigt?
LA: Die meisten HR-Firmen, die Löhne abrechnen, sind zur Zeit komplett mit den bestehenden Kunden ausgelastet. Um einem Unternehmen helfen zu können, muss man die Verträge studieren, das Zeiterfassungs-Tool kennen, Einblick in die Kultur erhalten, etc. Dazu haben sehr viele keine Zeit. Trotzdem gibt es auch jetzt Unternehmen, die eine individuelle Unterstützung anbieten. Ansonsten empfehle ich, an Webinaren teilzunehmen, Blogs zu lesen und mit dem HR-Software-Anbieter zu sprechen.
Liebe Lea Andrist, herzlichen Dank für dieses spannende Interview.
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