Wieso es sich für Unternehmen lohnt, die psychische Gesundheit zu fördern
Nur wer auch psychisch gesund ist, kann sich persönlich und fachlich weiterentwickeln und seinem Aufgabenbereich neue Impulse geben. Weniger Ausfälle und sinkende Fluktuation wirken sich positiv auf die Kosten Ihres Unternehmens aus.
Jeder vierte Mitarbeitende zeigt Anzeichen einer behandelbaren psychischen Erkrankung. Unternehmen gehen wegen gesundheitlicher Probleme ihrer Angestellten jedes Jahr gegen 50 Mia. Franken verloren. Um die Vorurteile gegenüber Menschen mit psychischen Problemen in unserer Gesellschaft abzubauen und diese frühzeitig zu professioneller Hilfe zu ermutigen, braucht es Massnahmen, die greifen.
Das Arbeitsgesetz verpflichtet Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber explizit, die physische und psychische Gesundheit ihrer Angestellten zu schützen. Das geschieht nicht zur zum Vorteil letzterer, sondern davon profitieren auch die Arbeitgebenden. Denn wo Mitarbeitende sich wohlfühlen, sind Ausfälle und Fluktuation geringer. Und das ist kostenrelevant.
Es gibt ein paar gute Gründe, die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden ernst zu nehmen:
- Kosten
Der Produktivitätsausfall wegen psychischer Belastung beträgt für Betriebe durchschnittlich zwischen 3 und 8 % – das ist viel. - Erfolg und Innovation
Betriebe, denen die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeitenden wichtig ist, haben nicht nur psychisch gesündere Mitarbeitende, sondern sie sind auch insgesamt erfolgreicher. Ihre Mitarbeitenden sind loyaler, motivierter und innovativer. - Loyalität
Ein Mitarbeiter, der während einer psychischen Krise konsequent Unterstützung erfährt, wird das nicht so rasch vergessen. Es verbindet ihn meist tief mit dem Unternehmen. - Egoismus
Tönt paradox? Ist es nicht, denn jeder Zweite wird in seinem Leben eine psychische Belastung erleben. Bei jedem Vierten wird sie ein Ausmass annehmen, das die Arbeitsfähigkeit einschränkt. Und es kann alle treffen. Es ist also in unserem ureigensten Interesse, wenn wir uns um das Thema kümmern. - Das Richtige tun
Die Qualität einer Gesellschaft zeigt sich darin, wie sie sich ihren schwächeren Mitgliedern gegenüber verhält. Bei einer Erkrankung möchten wir alle darauf zählen können, dass andere uns nicht fallen lassen und ausgrenzen, sondern unterstützen. Warum sollte dies bei einer Depression anders sein als bei einem Herzinfarkt oder einer Dickdarmentzündung? Stigmatisierung ist immer noch eine Realität. Jeder und jede von uns kann seinen oder ihren Teil dazu beitragen, dass Stigmatisierung abnimmt.
Früherkennung und Warnsignale
Weniger als ein Drittel aller Führungskräfte hat ein spezielles Training im Umgang mit psychisch beeinträchtigten Mitarbeitenden. Kein Wunder, dass in vielen Fällen Ängste, Hemmungen oder ganz einfach Unsicherheit verhindern, dass psychische Auffälligkeiten angesprochen werden.
Aus Angst vor Stigmatisierung tun Mitarbeitende alles, damit Probleme am Arbeitsplatz möglichst unentdeckt bleiben. Wenn Warnsignale auftreten, bedeutet das, dass die Schwierigkeiten schon länger bestehen. Darum gilt: Rasch handeln, wenn etwas nicht stimmt!
Wie erkennt man belastete Arbeitnehmende?
Psychische Belastungen zeigen sich in der Regel zuerst im Verhalten, in der Stimmung und können sich in den Beziehungen bemerkbar machen – und erst später auch in der Leistung. Als Führungskraft spielen Sie die Hauptrolle, wenn es darum geht, psychische Beeinträchtigungen bei Ihren Mitarbeitenden zu erkennen. Es ist wichtig, bei Anzeichen von psychischen Schwierigkeiten möglichst früh aktiv zu werden. So kann die Genesung schneller erfolgen und Leistungseinbussen lassen sich verhindern.
Diese Hinweise können zur Früherkennung von psychischen Belastungen herangezogen werden:
- Vermehrte Fehltage
Ein gutes Absenzenmanagement oder das Erfassen von Fluktuationen geben erste Hinweise. - Stress bzw. Erschöpfung
Um herauszufinden, wie es um den Stress im Unternehmen steht, gibt es mittlerweile viele Möglichkeiten, beispielsweise der Online-Test für Stresssignale auf der Website www.stressnostress.ch, den Firmen bzw. Führungskräfte ausfüllen können. Dort wird Ihnen auch eine kleine Anlei&tshy;ung für Massnahmen gegen Stress zur Verfügung gestellt. - Arbeitsplatzzufriedenheit
Die Zufriedenheit der Mitarbeitenden wird in der Regel mit firmeninternen Mitteln untersucht. Anhand der erfragten Parameter (z. B. Qualität der Führung, Fehlerkultur, Kommunikation, Sinnhaftigkeit der Arbeit, gesundheitliche Belastung) lassen sich Massnahmen zur Optimierung der (psychischen Gesundheit) ableiten.
Warnsignale – drei Kriterien
Kurz und knapp zusammengefasst weisen diese drei Punkte darauf hin, dass Sie aktiv werden sollten:
- wenn es eine deutliche Veränderung im Denken, Handeln oder Fühlen einer Person gibt,
- wenn diese Veränderung die Arbeitsfähigkeit der Person beeinträchtigt,
- wenn die Veränderung anhält und nicht in kurzer Zeit verschwindet.
Konkrete Massnahmen
Als Führungskraft tragen Sie in vielen Bereichen eine grosse Verantwortung. Neue Themen und Situationen folgen in hoher Kadenz und verdrängen andere wieder. Verankern Sie die folgenden Massnahmen zur Förderung der psychischen Gesundheit in Ihrem Betrieb nachhaltig in den Unternehmensprozessen und der Firmenkultur, damit das Thema etabliert wird und keine einmalige Sache bleibt.
Einige Führungsmassnahmen, die Sie vorschlagen können:
- Work-Life-Balance und Krankheiten
Klare Aussagen der Unternehmensleitung zur Work-Life-Balance und eine klare Haltung zur Trennung von Arbeit und Nichtarbeitszeit (Pausenregelungen, Mittagszeitregelung, Ferienbezugsregeln) sowie zur Verfügung stellen der nötigen Genesungszeit im Krankheitsfall. - Offene Kommunikation
Themen wie Burn-out, Umgang mit persönlichen Krisen, psychische Gesundheit etc. werden bei internen Anlässen und in Publikationen offen angesprochen. Kaderleute treten jeglichen stigmatisierenden oder diskriminierenden Äusserungen entgegen. - Gegenseitiger Respekt
Ein respektvoller Umgang im Arbeitsalltag und eine nicht diskriminierende Policy bezüglich Diversität, sozialer Herkunft etc. sind erklärte Werte und zeigen sich in den Handlungen der obersten Unternehmensleitung. - Umgang mit Konflikten
Konflikte im Betrieb werden wahrgenommen und proaktiv einer Lösung zugeführt. Es gibt definierte Prozesse für den Umgang mit Differenzen – sowohl intern wie nach aussen mit Kunden, Auftraggebern etc.
Auch für Massnahmen im strukturellen und prozessorientierten Bereich gibt es Potenzial – eine Auswahl:
- Feedback-Möglichkeiten
Es werden Feedback-Möglichkeiten für die Mitarbeitenden geschaffen, beispielsweise mit themenspezifischen Mitarbeiteranlässen oder mit Vorschlagswesen (anonyme Rückmeldungen sollen möglich sein). - Thema im Jahresgespräch
In Mitarbeitergesprächen wird neben den formalen Punkten auch informal das Thema psychische Gesundheit aufgenommen. - Schulungen zum Thema psychische Gesundheit
Eine Stelle im Unternehmen wird beauftragt, das Thema der psychischen Gesundheit proaktiv zu pflegen (meistens HR). Es gibt Kaderleute und Mitarbeitende, die dafür speziell geschult sind, zum Beispiel mit einem ensa Kurs. - Anlaufstelle bekanntgeben
Mitarbeitende mit persönlichen Problemen können sich an eine unabhängige Gesundheits- und Sozialberatungsstelle wenden. Diese Stelle soll über allgemeine Wahrnehmungen direkt der obersten Leitung berichten können (unter Wahrung der Persönlichkeitsrechte der ratsuchenden Personen).
Wenn Gespräche und gegebenenfalls besprochene Massnahmen allein nicht zu einer Lösung führen, gibt es folgende Möglichkeiten, sich Unterstützung zu holen:
- Personalabteilung
- Case-Manager (Berater einer Privatversicherung)
- Job Coach (externe Fachperson, die den Mitarbeitenden arbeitsplatzbezogen unterstützt)
- Psychiater, Psychologe
- IV-Stelle
- Beratung der Stiftung Pro Mente Sana
- Spezialisierte Beratungsstellen ausserhalb des Unternehmens (z. B. für Sucht, Gewalt, Depression etc.)
ensa Kursangebot: Erste-Hilfe-Kurs für die Belegschaft
Gerade am Arbeitsplatz können sich anbahnende psychische Probleme frühzeitig erkannt und damit viel Leid und hohe Folgekosten auch für die Unternehmung oder die Organisation vermieden werden. Ersthelfende Arbeitskolleginnen und Arbeiskollegen können noch wirksamer und schneller Erste Hilfe leisten als Führungskräfte. Idealerweise ermöglichen Abteilungs- oder Teamleitende den Besuch des Kurses während der Arbeitszeit und auf Kosten der Firma oder bezahlen die Kursgebühr, wenn Mitarbeitende das Ersthelferzertifikat in der Freizeit erlangt haben.
Kursteilnehmende lernen die Grundlagen über verschiedene psychische Probleme und üben die 5 Schritte der Ersten Hilfe, wenn Erwachsene Hilfe brauchen.
ensa Kursangebot: Erste-Hilfe-Gespräche für Führungskräfte
Als Führungskraft lernen Sie auf die Gesundheit Ihrer Mitarbeitenden zu achten, Veränderungen frühzeitig wahrzunehmen und darauf zu reagieren. Sie lernen Anzeichen psychischer Krankheiten kennen und üben in mehreren Rollenspielen Erste-Hilfe-Gespräche zu führen.
Ein Angebot von:
Quellen:
- Ihde-Scholl, Thomas: Wenn die Psyche streikt – Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt, Axel Springer Schweiz, Beobachter-Edition, Zürich 2015.
- Stiftung Pro Mente Sana: Das ensa Arbeitsheft Erste-Hilfe-Gespräche für Führungskräfte, Zürich 2021.